The Rogue with the Brogue

Die Tage werden länger, der nächste Frühling wird sich kaum vermeiden lassen. Im April ruft mich wieder Galway mit seinem unnachahmlichen Literaturfestival ‚Cúirt‘. Letztes Jahr war ich zum ersten Mal dabei, siehe http://www.buchmagazin.ch (im Suchfeld rechts oben meinen Namen eingeben). Und auch dieses Jahr möchte ich mir das Vergnügen nicht entgehen lassen. Inklusive den craic, den man mit Iren haben kann. Nicht ist für mich inspirierender als eine fröhliche Runde an der irischen Westküste, sei es im Pub oder privat.

Da ich das Gedicht in meinem letzten Eintrag entfernen musste, hier zum Trost ein Limerick. Natürlich inspiriert von einem Irish charmer:

A lady went to Eire for the brogue
and there she ran into a rogue
would you have guessed
she doubly was blessed
by getting the rogue with the brogue

Der Rest ist Schweigen

In den letzten Tagen hat mich gedanklich das Thema Schweigen beschäftigt. Schweigen kann einem alten Sprichwort zufolge Gold sein. Manchmal ist es aber auch das Gegenteil. Eher Scheisse.
Manche Leute retten sich in Schweigen, weil sie nicht fähig sind, Stellung zu beziehen. Oder weil es der einfachste Weg ist, einem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Oder weil sie es  nicht für nötig halten, Bescheid zu geben, wo eine Anmeldung/Abmeldung erwartet wird. Oder… es gibt noch jede Menge Beispiele.
Immerhin hat mich das Schweigen, ausgehend von Shakespeare/Hamlet bis zu Ingmar Bergman, zu einem Gedicht angeregt (vorübergehend entfernt weil für einen Wettbewerb eingereicht, nun wieder eingefügt, weil Wettbewerb nicht gewonnen).

Silence

I.
When Hamlet said
‚The rest is silence‘
he knew
what he was talking about
the tip of the sword
which killed him
being the truth kept silent
in a maze of betrayal

II.
Silence can be
the deepest sea
the highest mountain
the hottest fire
the thickest ice
the sharpest knife

III.
Living in silence
where questions are scorching
is choosing slow torture
over instant death

IV.
Silence is
the weapon of him
who has no other means
to defend his deeds

V.
Silence can sound
louder than any cry
from one who knows
that no help is near

VI.
Silence may be
mercy and consolation
when words are too much
to deal with

VII.
Silence can mean
recreation and rest
unplugging your ears
from the constant din
of a barbaric invention
called civilisation

VIII.
In the end
silence is always
the rest

 

Notendruck gestern und heute

„Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir“ – wer hat schon wieder diesen gescheiten Satz gesagt? Hab’s vergessen… Murbach, Note 1! Zu unserer Gymi-Zeit war 6 die beste. Und wir hatten nicht das Gefühl, für uns zu lernen, sondern für die Noten. Resp. für die Lehrer, die hinter den Noten standen. Das Ausrechnen von Noten war für uns der wichtigste Teil der Mathematik. Bruchrechnen, Subtrahieren, Addieren, Durchschnitte. Die Einschätzung der Lehrer und ihres Verhaltens in der Notengebung hingegen war angewandte Psychologie und mindestens so wichtig wie die rein rechnerische Seite. Da lernten wir wirklich etwas fürs Leben…
Mathe war immer meine Achillesferse gewesen, aber im Notenrechnen war ich Spitze. Ich kalkulierte nämlich ein halbes Jahr vor der Abschlussprüfung, dass ich es in Mathe nie auf einen grünen Zweig bringen würde. Also büffelte ich die anderen Fächer und schob in Mathe eine ruhige Kugel. Die Rechnung ging auf – Mathenote 2 im Maturzeugnis, dafür schaffte ich es in allen andern Disziplinen.
Heute hat das Thema Benotung eine andere Dimension für mich. Offenbar kann ich es nicht lassen, mich wieder kritischer Beurteilung auszusetzen. Vor zwei Jahren reichte ich zum ersten Mal einen Text für einen literarischen Wettbewerb ein und tue mir das nun immer wieder an. Allerdings läuft diese Art von Benotung anders ab als in der Schule. Nicht das Zahlenbeigen, sondern die Einschätzung der Juroren ist das Kriterium. Und diese lassen sich nicht in die Karten schauen. Rein objektive Kriterien gibt es auf diesem Gebiet nicht. Wir haben das damals in Schule erlebt, wenn es um Aufsätze ging, der persönliche Geschmack des Lehrers war oft entscheidender als Stil und Grammatik.
Nun liefere ich meine geistigen Kinder freiwillig einer gnadenlosen Jury aus. Es gibt nichts auszurechnen und auch der Versuch einer psychologischen Einschätzung ist müssig, weil ich die Damen und Herren nicht kenne. Also heisst es, geduldig auf die Verkündung der Longlist und Shortlist warten. Eine Nominierung wäre schon ein Erfolgserlebnis, an einen Preis zu denken ist vermessen.
Bis zur Verkündung der KandidatInnen, die für den „Cúirt New Writing Prize 2014“ in Galway in die Kränze kommen, vergehen noch Wochen. Schafft es eines meiner drei Gedichte auf die Longlist, steht das Fiebern auf die Shortlist an. Und falls… aber soweit soll frau gar nicht denken. Mitmachen ist alles. Im Gegensatz zur Schule heisst „keine Nominierung, kein Preis“ nicht „ungenügend“, sondern ganz einfach, dass es zu viele gute PoetInnen gibt und zu wenig Preise.

Dixie, Rock’n Roll und Schmuseblues

Wir Teenies von vorgestern waren ja soooo brav! Als „recycled teenager“ (O-Ton eines Irish Tour Director, der auf seinen Rundreisen von meist gruftiger Kundschaft umgeben ist), der/die staunend den Lebensstil der heutigen Jugend soziologisch analysiert, blickt man/frau zurück auf einen Quantensprung. Ich verzichte darauf, auf die Details der zeitgenössischen Jugendkultur einzugehen, sie sind hinlänglich bekannt, und beschränke mich auf die Nostalgie. Also:
In der Tanzstunde, die wir so ungefähr mit 14-16 Jahren absolvierten, hielt das „Hotten“, vulgo Rock’n Roll, erst gerade verschämt Einzug. Ilse Bickel selig, in deren Institut die meisten gutbürgerlichen Sprösslinge mit schwitzenden Händen und zwei linken Füssen die ersten Runden drehten, beschwor uns, niemandem zu verraten, dass sie  „Hotten“ in ihr Programm aufgenommen habe. Da verbotene Früchte am besten schmecken, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Genau die Mund-zu-Mund-Propaganda, die Madame Bickel sich wünschen konnte. Krönender Abschluss des Kurses war der Abschlussball mit Live-Band. Die Sängerin trug beigen Lippenstift und eine hochtoupierte, schwarze Mähne wie Priscilla Presley. Mein Galan war der Bruder meiner besten Freundin und hatte mich nur eingeladen, weil ihm keine andere einfiel. Wir hatten im Kurs beide von A-Z Mauerblümchen-Status genossen.
Für den Ball wünschte ich mir ein Kleid aus grünem Samt, meine Mutter bestand auf altrosa Taft. Die Robe wurde auf Mass angefertigt von einer ihr bekannten Schneiderin und durfte keinenfalls schulterfrei daherkommen. Die angeschnittenen Kurzärmel waren knapp bemessen und überlebten die erste Drehbewegung des ersten Rock’n Rolls nicht. Nicht nur die Naht, auch der Stoff riss. Irreparabel. Ein Wink des Schicksals. Mein nächstes Galagewand bestand aus dem gewünschten Samt und war ärmellos…
Spätere Tanzanlässe waren Schulfeste oder Klassenfeste in privatem Rahmen. Erstere wurden musikalisch meist von Schülerbands bestritten, letztere mussten sich mit Plattenauflegen begnügen. CDs und DJs waren noch unbekannt. Das musikalische Repertoire bewegte sich zwischen Dixie, Rock’n Roll und Schmuseblues. Zu fortgeschrittener Stunde kam vor allem die letztere Kategorie zum Zug. Dann klebten die Paare auf der Tanzfläche aneinander und bewegten sich kaum noch. Für unsere Eltern bedeutete das schon Sodom und Gomorrha, aber sie waren zum Glück nicht dabei.
Unsere 8d war mit einer Klasse des MNG (Mathematisch-Naturwissenschaftliches Gymnasium) befreundet, was die Paarbildung erleichterte. Der ausgesprochen gutaussehende Bruder einer Mitschülerin sass in dieser MNG-Klasse und beauftragte jeweils seine Schwester, ihn mit der jeweiligen Tanzpartnerin seiner Wahl zu verkuppeln. Erfolgreich arbeitete er sich so durch einen Teil unserer Gemeinschaft. Aber auch zwischen andern entspannen sich zarte Bande, sie „gingen“ miteinander. D.h. man/frau traf sich zum Beispiel eine halbe Stunden vor dem Nachmittagsunterricht an einer Strassenecke, hielt Händchen und versuchte sich auch mal in einem verstohlenen Zungenkuss. Abends lag hie und da Kino drin, aber bitte sei um 11.30 zuhause! Tanzen im Jugendhaus resp. Sommercasino am Samstagabend ging ebenfalls durch, von 20-23 Uhr. Grosszügigerweise wurde die Ausgangsbewilligung dann bis Mitternacht ausgedehnt. Mein damaliger Galan wanderte nach 23 Uhr mit mir bis zur Haustür, wo wir bis Punkt 24 Uhr knutschten. Wenn er Glück hatte, erwischte er noch das letzte Tram nach Hause. Für ein eigenes Auto oder ein Taxi reichte das Taschengeld nicht. Auch war der Papa meist noch gar nicht motorisiert. Sogar wenn er es gewesen wäre – Führerschein mit 18 und Ausgang mit dem Familienwagen gab es so gut wie nicht.
Fragt da jemand, wie wir das mit dem Sex hielten? Igitt, ein abszönes Wort! Ebenso wie der Ausdruck „Pille“. Orale Empfängnisverhütung, damals frisch erfunden, weckte Assoziationen zu zügellosen Ausschweifungen. Man/frau sprach von beidem nur hinter vorgehaltener Hand. Lehrer sorgten sich um die Moral ihrer Schülerinnen. Die Boys hatten es leichter. Sie durften tolle Hechte sein, und wenn eine sich „rumkriegen“ liess, wurde das als Erfolgserlebnis verbucht. Aber der gute Ruf der Rumgekriegten war dahin.
Soviel zu den damaligen Moralvorstellungen. Vielleicht fällt mir später noch mehr dazu ein.

Einladung zur Lesung am 7.2.2014

Geschichten und Lieder in zwei Sprachen am 7. Februar 2014, 19 h
Literarischer und musikalischer Apéro in der GGG Stadtbibliothek Basel West, Allschwilerstr. 90, Basel
(Tram 6 bis Allschwilerplatz oder Bus 36 bis Morgartenring)
Lesung aus meinem zweisprachigen Kurzgeschichten-Band Hollywood Mansion
Lieder in Schweizerdeutsch und Englisch: Singer-Songwriter Olaf Kirchgraber
Eintritt: CHF 10.-